Interview„Demokratie beginnt im Unternehmen“ – Wie Nürnbergs Wirtschaft Verantwortung übernimmt
Was haben Mitbestimmung, Vielfalt und Menschenrechte mit dem Arbeitsalltag zu tun? Die Nürnberger Unternehmerin Susanne Bohn erklärt im Interview mit deinNämberch.de, warum Demokratie kein Politikum, sondern gelebte Unternehmenskultur ist – und wie Unternehmen Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen können. Ein Appell für mehr Haltung in der Wirtschaft.
Susanne Bohn. Alle Fotos: susanne bohn Leadership Competence
Was zeichnet Nürnberg für dich aus? Nürnberg vereint fränkische Bodenständigkeit mit interkultureller Offenheit. Besonders in der Südstadt habe ich das Miteinander der Kulturen schätzen gelernt. Die Altstadt und das historische Erbe sind wertvoll – Nürnberg steht zu seiner Geschichte, was ich wichtig finde. Zudem ist die Stadt ein attraktiver Industrie- und Wissenschaftsstandort mit vielfältiger Unternehmenslandschaft. Im Cross Mentoring, meinem firmenübergreifenden Führungskräfteentwicklungsprogramm, sehe ich, wie sich unterschiedliche Unternehmenskulturen befruchten. Als naturverbundener Mensch genieße ich auch die Nähe zur Natur – mein Wohn- und Arbeitsort am Waldrand bietet mir viel Lebensqualität.
Welche Verbindung hast du zu Nürnberg und seiner demokratischen Kultur? Im Jahr 1989 bin ich für mein Sozialwesen-Studium nach Nürnberg gezogen. Durch zahlreiche praktische Kurse hatte ich schon damals einen guten Überblick und Einblick in vielfältige soziale Einrichtungen erhalten und bin seitdem beeindruckt von der sozialen Infrastruktur der Stadt. 2023 organisierte ich mit dem Dokumentationszentrum eine Veranstaltung mit einem französischen Zeitzeugen-Nachkommen – die Aufarbeitung der Stadt mit Ihrer Vergangenheit finde ich beeindruckend. Wichtig finde ich auch, dass viele Organisationen und Kulturzentren Demokratie und Integration fördern. Der Menschenrechtspreis Nürnbergs ist für mich ebenfalls ein starkes Signal nach außen.
Was sind deiner Meinung nach konkrete Wege, wie Nürnberger Unternehmen demokratische Werte fördern können – im Alltag und darüber hinaus? Indem sie Mitarbeitende ermutigen, sich zu engagieren – etwa durch Aufrufe zur Mitbestimmung im Betrieb und bei Wahlen. Feedback-Kultur im Unternehmen, ebenso wie transparente Entscheidungen sind wichtig. Führungskräfte sollten Debatten zulassen und Vielfalt leben, etwa durch diverse Teams und Offenheit gegenüber verschiedenen Meinungen. Engagement für Menschenrechtsveranstaltungen, Azubi-Projekte zur Barrierefreiheit oder Kooperationen mit Schulen sind konkrete Schritte. Demokratie heißt: Alle können mitgestalten.
Wie politisch darf oder sollte ein Unternehmen heute sein – ohne parteipolitisch zu wirken? Ein Unternehmen sollte klar Stellung beziehen – für Vielfalt, Inklusion, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit. Das bietet Orientierung für Mitarbeitende. Viele Nürnberger Unternehmen tun das bereits vorbildlich.
Wie können Mitarbeitende für politische Bildung sensibilisiert werden? Mit einer klugen, zielgerichteten Strategie und zeitlichen Ressourcen – besonders für sozial belastete Mitarbeitende, unter anderem Menschen mit Behinderung oder Alleinerziehende. Workshops, Info-Veranstaltungen und Debatten helfen, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Zudem könnten Info-Veranstaltungen und Debatten zu aktuellen komplexen politischen Themen wie Klimaschutz, Migration, Umgang mit Fake-News Einzelnen helfen, sich konstruktiv auseinanderzusetzen und sich eine Meinung zu bilden. Führungskräfte sollten dabei Vorbilder sein. Manche Firmen ermöglichen bezahlte Zeit für Ehrenamt oder engagieren sich langfristig sozial.
Was sollte in Sachen Demokratie und Wirtschaft passieren? Demokratie und Wirtschaft gehören zusammen. Geschäftsführende tragen Verantwortung und sollten Haltung zeigen. Demokratiebildung gehört in die Arbeitswelt – gerade auch im digitalen Kontext. Demokratie sollte Teil der Nachhaltigkeits-Strategie sein. Deshalb starten wir noch in diesem Jahr eine Initiative mit Unternehmen aus unserem Netzwerk, um Demokratiebildung praxisnah zu verankern.
Was ist deine Botschaft an junge Unternehmende in der Region? Ihr gestaltet nicht nur euer Unternehmen, sondern auch die Gesellschaft. Eure Haltung prägt die Unternehmenskultur. Seid Vorbilder für Meinungsfreiheit, Diversität und Mitbestimmung. Wirtschaft braucht Werte für Glaubwürdigkeit! Haltung ist ein Wettbewerbsvorteil, wenn sie authentisch ist. Vernetzt euch und nutzt eure Reichweite, um konstruktive Debatten zu fördern. Eure Generation kann Demokratie erneuern – vielfältig, digital, praxisnah.