Das Klimacamp feierte vor einigen Tagen seinen einjährigen Geburtstag. Und die CSU-Fraktion im Nürnberger Stadtrat überlegte sich ein ganz besonderes Geschenk. Einen veganen Kuchen? Nein. Eine Essens-Spende? Nein. Aber doch wenigstens eine Grußkarte, mit der die Fraktion den Protestierenden für ihren Einsatz dankt. Immerhin sind sie seit mehr als 365 Tagen, täglich 24 Stunden, sieben Tage die Woche, bei Hitze und Kälte, bei Sonnenschein und Sturm auf dem Sebalder Platz und setzen sich für lokale Klimaschutzmaßnahmen ein! Klar, das muss es sein. Ein Dank. Doch wenigstens ein Dank! Was sollte es denn sonst sein? Es liegt doch auf der Hand: ein Dank.
Es war kein Dank.
Stattdessen forderten die Christsozialen den Abbau des Camps. Die Message sei „durchkommuniziert“, so Andreas Krieglstein, Fraktionsvorsitzender der CSU im Nürnberger Rathaus. Der Platz gehöre „allen Nürnbergerinnen und Nürnbergern“ – anscheinend nicht den Protestierenden –, das „Dauercamping“ müsse aufhören. Schließlich sei ja schon viel erreicht worden. Oh man.
Diese Forderung ist bestenfalls Symbolpolitik. Im schlimmsten Fall wissen sie es nicht besser. Den Sebalder Platz als Sehnsuchtsort der Nürnberger hinzustellen, ist schlicht überzogen. Wer den Platz kennt, weiß, dass er nicht das Anziehungspotenzial der Wöhrder Wiese hat. Nicht einmal ansatzweise. Beton ist auf dem Platz nämlich das Mittel der Wahl. Wer sich als Nürnberger wirklich gern auf diesem Platz aufhält, weiß schlicht nicht, wo die schönen Ecken Nürnbergs sind. Der Sebalder Platz gehört sicherlich nicht dazu.
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Und apropos durchkommunizierte Message: Ja, die Protestierenden setzen sich bereits seit mehr als einem Jahr für den Klimaschutz ein. Aber getan hat sich – leider – noch zu wenig. Dabei wäre es besser, die Forderung an jemand anderes zu richten. Denn: Wenn schon fordern, dann doch bitte richtig! Schließlich kommuniziert der Klimawandel schon seit mehreren Jahrzehnten seine Message, dass die Welt kurz vor dem Abgrund steht: „Es reicht jetzt. Die Message ist durchkommuniziert! Genug Klimawandel. Genug Artensterben. Genug Wasserknappheit. Genug Dürren. Genug Hitzerekorde. Genug Tote. Die Erde gehört allen Bewohnerinnen und Bewohnern und nicht nur dir, Klimawandel!“ Damit würden auch die Camper ihre Zelte abbauen. Eine „Win-Win“-Situation.
Aber Spaß beiseite. Was die CSU tatsächlich stören dürfte, ist die unmittelbare Nähe zum Rathaus. Diese Nähe, die sie immer wieder daran erinnert, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Klar: Es wurde ein 365-Tage-Ticket beschlossen und die Fußgängerzone erweitert. Aber reicht das? Nein, natürlich nicht. Und das wissen auch die Politiker sehr genau.
Beides sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Aber um dem Klimawandel effektiv etwas entgegenzusetzen, muss noch so viel mehr passieren – auch auf lokaler Ebene. Zum Beispiel fordert das Klimacamp das Ende des Ausbaus des Frankenschnellwegs und ein durchgehendes Radnetzweg bis 2026. Echten Wandel also.
Klar ist aber leider auch, dass das Klimacamp vor allem finanziellen Interessen weichen soll. Das benennt auch die CSU in ihrer Mitteilung als wäre das etwas gutes. Der Sebalder Platz, unweit vom Hauptmarkt, soll während des Christkindlemarkts als Anfahrtsweg genutzt werden. Noch ist unklar, ob der Christkindlemarkt stattfindet. Sollte dem aber so sein, müssen die Camper den Platz verlassen. Sie haben bereits angekündigt, dagegen zu klagen.
Aber auch das wäre kein Problem: Der Glühwein schmeckt ja erst so richtig bei 30 Grad Außentemperatur, wenn die Schokolade auf den Lebkuchen in der Hand schmilzt und das Christkind im Kostüm wegen eines Hitzeschlages zusammenbricht. Oder, liebe Politik?
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